Carolin Brüggemann führte am 07.03.2022 mit unserer ehemaligen Stellvertreterin Cornelia Wissemann-Hartmann ein Zoomgespräch. Es ging um das Studieren, den Traumberuf, einen Bus, zwei kleine Kinder, und so manch Anderes.
Intro
CWH: 10 Jahre ABI! Das ist eine lange Zeit. Habt Ihr als Stufe schon ein Fest oder Wiedersehen geplant?
Carolin: Hm, davon hab´ ich noch nichts mitgekriegt! Nach 5 Jahren hat es ein Treffen gegeben, da setze ich jetzt mal auf unseren Stufensprecher, dass wir das noch hinkriegen. Ich bin zuversichtlich. In 10 Jahren passiert ja echt viel, vor allem in diesen 10 Jahren nach dem Abi, glaub ich.
CWH: Ja, das ist ein Alter, in dem viele Brüche sind.
CWH: Was außer Schule war dir damals wichtig? Was hast du als Schülerin so rund ums Abitur gerne gemacht außer Schule?
Carolin: Ganz zentral war bei mir da immer der Sport, der Volleyball. Ich hab viel trainiert, vier,- fünfmal die Woche. Dann habe ich meine Freundinnenkreise sehr gepflegt, viele Freundschaften aus Kindergartenzeiten, Grundschulzeiten, das war mir immer sehr wichtig und das ist auch heute noch so. Ich war auch aktiv bei den Naturfreunden, das ist ein linkspolitischer Verein, da war ich erst Teilnehmerin, dann Teamerin, als Jugendleiterin. Aber Schule hat natürlich auch viel Zeit in Anspruch genommen, das muss man sagen.
Mein Studium – grandios
CWH: Wusstest du, was du beruflich machen möchtest, als du die Schule verlassen hast? Wie waren deine Pläne? Erzähl doch einfach ein wenig davon und was sich daraus entwickelt hat, ob das ein geradliniger Weg war, also so einen Bogen von damals bis heute, wo du jetzt beruflich stehst…
Carolin: Ja, ich hab mich nach dem Abi echt sehr intensiv damit auseinandergesetzt, was ich jetzt studieren will – es sollte etwas Gesellschaftswissenschaftliches, etwas Soziales sein. Ich hab mich dann an 9 Unis in 9 Städten beworben in verschiedenen Richtungen, bin dann für mich überraschenderweise überall genommen worden und hatte dann so die Qual der Wahl. Da kann ich dann eine Schleife zum CFG ziehen: Ich hatte ja Erziehungswissenschaft-Leistungskurs bei Frau Franke, und die hat uns immer gesagt: wenn ihr mal EW studieren möchtet, da ist Bielefeld die erste Wahl. Da kommen so viele Theoretiker her und haben dort auch gelehrt. Mir war also recht schnell klar: Wenn EW, dann Bielefeld! Für das Nebenfach habe ich mir Jura ausgesucht, das kann man immer gut gebrauchen.
Für den Master interessierten mich in Bielefeld die Gender Studies. Aber auch Kriminologie in Hamburg oder Regensburg fand ich super spannend. Aber dann habe ich mich in Bielefeld so super wohlgefühlt an der Uni, dass ich doch dort bleiben wollte. Und somit schied Kriminologie als Master aus. Da mir Gender Studies doch zu speziell war, habe ich mich für den Master EW entschieden – man weiß ja nie was das Leben so bringt und in EW war für mich von allem was dabei. Es war ein grandioses Studium, eine Zeit die ich unglaublich genossen habe!
Im Bachelor im Jahr 2017 habe ich dann ein Praktikum bei der Frauenberatungsstelle hier in Wuppertal gemacht, und es war tatsächlich so toll, wie ich es mir vorgestellt hatte: das Team war so super, die Arbeitsatmosphäre, die Arbeit und ich hab gedacht: eines Tages will ich da mal arbeiten! Mit den dort arbeitenden Frauen bin ich immer in Kontakt geblieben, habe auch stundenweise während des Studiums dort gejobbt. Zeitgleich zum Praktikum habe ich eine Weiterbildung gemacht „Psychosoziale Prozessbegleitung“, die war damals ganz neu. Die Aufgabe einer Psychosozialen Prozessbegleiterin ist es, Geschädigte, bspw. Betroffene eines Sexualdelikts im Strafverfahren psychosozial zu begleiten und zu unterstützen. Das war die perfekte Kombi aus meinem EW- und meinem Jura-Interesse.
Danach war mir klar, dass ich in die Frauenarbeit wollte und habe dann auch meine Masterarbeit danach ausgerichtet und über das Verfahren der Anonymen Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt „ASS“ geschrieben.
Mein Beruf – ein Traumjob
Ich war noch gar nicht ganz fertig mit dem Studium, als ich mich auf eine unbefristete Stelle beim SKFM in Mettmann (Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Mettmann e.V.) bewarb in der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt. Diese Chance wollte ich nutzen, da es diese Stellen ja nicht an jeder Ecke zu finden gibt.
Und dann, eine Woche nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin.
Und dann ist erst einmal kurz die Welt zusammengebrochen – ziemlich zusammengebrochen sogar. Ich habe mich gefragt, wie das alles gehen soll, ich hatte doch gerade erst den Vertrag unterschrieben, wollte ins Berufsleben einsteigen und durchstarten. Für einen kurzen Moment dachte ich echt, mein Leben sei vorbei. Aber dann habe ich mich entschieden, das Kind – damals bin ich ja dann noch von einem Kind ausgegangen – das Kind zu behalten und das durchzuziehen. Meine Mama hat mir ziemlich schnell klar gemacht, dass ein Weltuntergang anders aussieht: Ich hatte einen tollen Job und meine Familie und Freundinnen, die mich unterstützen würden, da auch ziemlich schnell klar war, dass ich alleinerziehend sein werde…
CWH: Ja, das wissen die Leser:innen ja nicht, das kommt so nach und nach hervor: unverhofft und alleine.
Carolin: Ja, und das alles ja auch mitten in diesem Lebensumbruch. Gerade eben noch war ich Studentin, frei und unabhängig. Und plötzlich dann: Ich werde Mutter, es wird eine Menge Arbeit und Belastung auf mich zukommen und mit der Freiheit und Unabhängigkeit wars das erstmal… Das hat mich schon ziemlich beschäftigt – auch meiner Arbeitgeberin direkt mitteilen zu müssen, dass ich schon bald wieder weg sein würde, in Mutterschutz. Mir war zwar klar, Arbeitgeber:innen müssen damit rechnen, dass junge Frauen schwanger werden, dennoch war es für mich wirklich eine große Hürde und Belastung – vor allem auch, weil ich es mir selbst ja alles so anders vorgestellt hatte. Aber ich bin in Mettmann gut gestartet und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ja und dann erfuhr ich auch noch, dass es Zwillinge werden. Das war natürlich erst mal wieder ein riesiger Schock! Glücklicherweise habe ich diesen Schock schneller überwunden: Anscheinend sollte das mit der Schwangerschaft wohl so was von sein! Herausforderung angenommen!
Für das schlechte Gewissen meiner Arbeitsgeberin gegenüber muss ich mich eigentlich verurteilen, aber es war in dem Moment nun einfach mal da.
CWH: Aber jetzt arbeitest du ja in Wuppertal, da muss ja noch ein Bruch gewesen sein.
Caro: Genau. Während der Elternzeit hat mich dann eine Mail erreicht von der Frauenberatung Wuppertal, die mich fragte, ob ich mich nicht bewerben wolle. Darüber habe ich mich total gefreut, wir waren ja all die Jahre über immer in Kontakt geblieben. Und trotz schlechten Gewissens gegenüber meiner Arbeitgeberin war mir schnell klar, dass ich das Angebot annehmen würde. Dann hab ich die Elternzeit ein wenig verkürzt und dort begonnen mit einer halben Stelle zu arbeiten, da waren die Zwillinge 1 ¾ Jahre alt. Die Elternzeit hatte ich übrigens genutzt, um eine einjährige Weiterbildung zur Fachberaterin für Psychotraumatologie zu machen. Das war super.
Mit Jobstart bin ich voll eingestiegen in die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, denn gleich an meinem ersten Arbeitstag waren die Kinder total krank. Drei Wochen lang habe ich dann mein wunderbares Netz aus Familie und Freundinnen auf Trab gehalten, damit ich trotz kranker Kinder arbeiten gehen konnte. Das war eine echt heftige Zeit für alle! Ich hatte mich so gefreut, entspannt in meinen Traumjob zu starten, und dann sowas.
Nun stecke ich voll in dieser Doppelbelastung, aber finde so langsam meinen Weg, denke ich. Trotzdem zerreißt es einen natürlich manchmal: ich will für mein Team da sein, für die Klientinnen, aber zu Hause brauchen mich die Kinder auch gleichzeitig als Mama. Von dieser Doppelbelastung berufstätiger Mütter hat man ja schon immer mal gehört, aber die Erfahrung dann selber zu machen ist echt etwas anderes – das ist eine Erfahrung.
CWH: Das war ein schöner runder Bogen bis heute. Ich würde jetzt gerne direkt von der Arbeit in der Frauenberatung noch etwas wissen. Ich hab einen Flyer gesehen: Für alle Frauen in Wuppertal. Was ist so eure Hauptaufgabe dort in der Frauenberatung?
Carolin: Im Grunde ist unsere Hauptaufgabe, Frauen und Mädchen ab 16 Jahren in Wuppertal zu beraten, zu bestärken. Die Frauen kommen ja zu allen möglichen Themen zu uns in die Beratungsstelle. Das können akute Krisen sein, Essstörungen, das Thema Trennung und Scheidung, Beziehungskonflikte oder Häusliche Gewalt in jeglicher Form.
Mein Schwerpunkt liegt allerdings in der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt. Wir beraten Frauen zum Thema sexualisierte Gewalt, egal ob in Partnerschaft oder durch Fremdtäter. Gewalt gegen Frauen generell ist ein großes Thema der Frauenberatungsstelle. Da gehört neben der körperlichen Gewalt auch die psychische, digitale, ökonomische oder eben sexualisierte Gewalt dazu. Aber unsere Arbeit ist auch noch viel vielfältiger, weil wir ja ein kleines Team und komplett selbst organisiert sind. Wir sind ein Frauen-Beratung und -Selbsthilfe e.V. und wir sind auch nur zu 80% von Stadt und Land finanziert, das heißt, wir bilden selber den Vorstand, und das heißt auch, wir müssen dann auch immer noch diese 20% selber erwirtschaften durch Spenden-Akquise oder Gruppen- und Fortbildungsangebote. Natürlich sind wir auch mit ganz vielen Institutionen vernetzt, wir sind im Gleichstellungsausschuss tätig, wir sind mit anderen Frauenberatungsstellen vernetzt, es geht bei unserer Arbeit auch ganz viel um politische Arbeit auf verschiedenen Ebenen.
CWH: Im letzten Sommer habt Ihr ja auch an dem Wettbewerb „Bürgerbudget 2021“ teilgenommen, um einen Bus zu finanzieren, der für die Frauenarbeit unterwegs sein soll. Hat das geklappt?
Carolin: Ja, darauf sind wir wirklich stolz! Wir haben das Geld erhalten, werden gemeinsam mit unserem Förderverein einen Bus kaufen und dann einen Plan erarbeiten, mit welchen Themen und Aktionen der Bus unterwegs sein wird. Da hängt jetzt noch viel Arbeit und Organisation daran, bis das läuft, aber das ist eine richtig gute Initiative und ein wichtiges Projekt für unsere Präventionsarbeit!
CWH: Das ist ja nun wohl wirklich der Traumjob, den du dir vorgestellt hast: der Genderaspekt, aber eben auch politische Arbeit und die Beratung, dann der Bereich Jura und die psychosoziale Begleitung, also das ist dein Traumjob.
Carolin: Absolut. Und das ist ein dickes Pfund, dass ich das so sagen kann, denke ich. Ich liebe einfach diese Vielfalt. Also ich liebe es, Klientinnen zu beraten und mit ihnen zu arbeiten. Ich liebe es aber auch, in Netzwerken tätig zu sein, andere Frauen kennenzulernen, die ähnliche Arbeit machen. Ich liebe es auch, die Website zu gestalten, da bin ich nämlich gerade für zuständig. Wir machen auch Onlineberatung, wir sind mittlerweile alle ausgebildet worden zu psychosozialen-online-Berater:innen. Wir geben Workshops, planen Veranstaltungen oder machen Kampagnen, wenn zum Beispiel so ein Tag ist wie „One Billion Rising“ oder jetzt am 8. März, dem Weltfrauentag morgen … sowas mache ich auch total gerne. Wir geben Workshops und planen Veranstaltungen.
Engagement – für Gleichberechtigung
CWH: Ja, morgen ist Weltfrauentag, und Putin überreicht Blumensträuße an Frauen, die Flugbegleiterinnen sind und lässt sich damit groß abfeiern. Du willst sicher keinen Blumenstrauß von Putin, aber was versprichst du dir von dem Weltfrauentag oder was würdest du dir wünschen?
Carolin: Natürlich sollte irgendwie jeder Tag Weltfrauentag sein, aber davon sind wir noch sehr weit entfernt. Deswegen finde ich trotzdem auch richtig, so einen Weltfrauentag in irgendeiner Form zu feiern. Das hat ja auch immer was mit Öffentlichkeit zu tun, mit Aufmerksamkeit für die Themen „Gewalt gegen Frauen“ oder die immer noch fehlende Gleichberechtigung zwischen allen Geschlechtern. Es gibt ja nicht nur den Weltfrauentag, sondern auch „One Billion Rising“ oder den 25.11., den Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Das hat auf der einen Seite natürlich immer ein bisschen den Beigeschmack von: An diesem einen Tag wird einmal kurz gesagt, wie viel Gewalt es gegen Frauen gibt, was alles noch nicht stimmt, und danach wird das Ganze auch schnell wieder vergessen. Das ist auch tendenziell so. Aber was wäre denn die Alternative? Das Thema gar nicht mehr in die ganz breite Öffentlichkeit zu tragen? Das sind einfach Termine, wo sich dann auch Feminist:innen aller Geschlechter zusammenfinden und auf die Straße gehen und gemeinsam für ein Ende der Gewalt und für die Gleichberechtigung einstehen.
CWH: Die Kluft zur Gleichberechtigung ist immer noch so riesig, sie ist eben auch strukturell, weil die Frau nun mal das Kind bekommt, aber die Männer heutzutage sind ja viel beweglicher als in den 80er Jahren, es wird noch dauern, aber es bewegt sich was.
Carolin: Genauso ist es. Es ist schon ganz viel geschafft, das merke ich auch bei den Männern in meinem Freund:innenkreis. Und trotzdem ist auch noch viel zu tun! Also ich bin ja nun eine frühe Mutter: Mit 26 Jahren als Akademikerin zweifache Mutter zu sein, das ist schon krass. Meine Freundinnen fangen jetzt langsam an mit der Familienplanung. Und da kriege ich schon mit, wie sich der Kopf zerbrochen wird: Befristete oder unbefristete Stelle? Wie ist das mit dem Elterngeld? Kriege ich überhaupt noch einen Job mit Kind oder bin ich zu unattraktiv für eine:n Arbeitgeber:in? Das ist anstrengend, die ganzen Ansprüche erfüllen zu müssen oder zu wollen! Und diese Fragen müssen sich primär die Frauen stellen, die Mutter werden wollen – auch heute noch!
Diversität – da bin ich stolz drauf
CWH: Definitiv ein schöner Punkt, um mal einen kleinen Cut zu machen und zu einem anderen Thema überzuleiten. Caro, deine Kinder haben eine dunkle Haut, hmm die Frage der Diversität, wie geht´s dir damit, was machst du damit, ist das ein Problem?
Carolin: Ein Problem ist das gar nicht, ich bin da sogar eher tendenziell stolz drauf. Ich hab zum Glück auch noch keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht mit den beiden. Ich bin aber auch nicht naiv und weiß, dass das kommen wird. Es werden Kommentare fallen und die Kinder werden unschöne Erfahrungen machen. Darauf müssen wir uns einstellen und uns wappnen. Es gibt ganz viele Bücher, die auf Empowerment ausgelegt sind, wo es einfach darum geht, sich noch mehr zu sensibilisieren. Heterogenität und Differenz war mein Studienschwerpunkt im Bachelor und im Master die Migrationspädagogik. Ich hatte also viele Seminare, die auch irgendwie rassismuskritisch angelegt waren. Ich würde also grundsätzlich sagen, dass ich bereit und gewappnet bin, meine Kinder auf diesem Weg so gut es geht zu begleiten und sie zu stützen. Ich glaube, das Wichtigste ist, den Kindern – also mehr kann ich als weiße Mutter nicht machen – so viel Sicherheit und Empowerment und Liebe und Zuversicht mitzugeben, dass sie diesen Erfahrungen, die sie da werden sammeln müssen, trotzen können. Dass sie wissen, wie sie es einzuordnen haben. Solche Erfahrungen machen zu müssen, ist natürlich immer verletzend, auch für die Mutter. Aber ich möchte dafür sorgen, dass meine Kinder mit ihren Erfahrungen so gut es geht aufgefangen werden. Und ich glaube und hoffe, dass es die beiden bei mir und meinen Eltern als miterziehende Großeltern ganz gut angetroffen haben. Auch meine Freund:innen sind da alle sehr involviert und nicht unbedarft.
Auch der Kontakt zum Vater meiner Kinder ist gut. Das ist uns wichtig. Das finde ich gerade in dieser Beziehung fast nochmal wichtiger, weil die beiden jetzt schon merken, dass sie etwas anders aussehen als die große weiße Mehrheit in ihrer Umgebung. Ich möchte, dass sie verstehen und schätzen, warum das so ist. Toll wäre natürlich noch mehr diverse gleichaltrige Kontakte oder Vorbilder zu haben. Aber vielleicht kommt das ja noch. Ich achte natürlich auch viel darauf, dass in Bilderbüchern alle möglichen Hautfarben abgebildet sind, dass das Mädchen mal die Hauptrolle spielt und das vielleicht nicht als Prinzessin sondern als Astronautin oder dass Kinder abgebildet sind, die im Rollstuhl sitzen. Abgebildete Diversität ist mir schon sehr wichtig.
CWH: Ja, man hat selber so Automatismen im Kopf und vieles ist einem nicht bewusst, z.B. die Abbildungen im Bilderbuch und die Zuschreibung von Hauptrollen. Stecken wir da immer noch in so einer Art von Kolonialismus mit den Weißen in der Herrschaftsposition? Also Obama war für mich in diesem Umfeld so ein großes Vorbild.
Carolin: Ja, wirklich, das ist er.
Werte – das verankert mein Leben
CWH: Caro, wenn du an Werte denkst, was fällt dir als allererstes ein, was sind Werte, die in deinem Leben die Dreh- und Angelpunkte sind?
Carolin: Hm, also Respekt ist das, was mir als allererstes eingefallen ist. Respekt gegenüber allen Menschen, egal, welche Religion, Herkunft, welches Geschlecht. Respekt z.B. auch in Trennungssituationen: in der Frauenberatung habe ich so viele Beratungs-Gespräche zum Thema Trennung und Scheidung, die oft so unschön werden. Auch mir und meinem Exfreund war z.B. immer klar, wir begegnen uns in Respekt und wir sind als Eltern für die Kinder da. Das haben wir zum Glück bisher geschafft und kriegen das ziemlich gut hin. Das sind auch Werte, die meine Eltern mir ganz früh beigebracht haben, und darauf bin ich stolz.
CWH: Ja, ich finde Respekt passt ja auch wunderbar in deine Biografie, zu diesen Gender-Fragen, zur Diversität. Erwartungen von außen – hast du denen mal nicht entsprochen, vielleicht auch bewusst oder nur zufällig, ist das ein Thema in deinem Leben?
Carolin: Das ist im Grunde ein großes Thema, weil mir das immer sehr wichtig war, was Menschen von mir denken, die ich für mich als wichtig erachte – bei Fremden ist mir das ziemlich egal. Ich denke, das krasseste Beispiel, wo ich dann mal nicht diesen Erwartungen entsprochen habe, war natürlich die Schwangerschaft. Damit hatte ja niemand gerechnet, ich ja auch nicht. Erstmal zu diesem wirklich unpassenden Zeitpunkt und dann auch noch ohne Partner. Eigentlich gibt es ja eine Reihenfolge an die frau sich bitteschön zu halten hat: Erst studieren, dann eine Weile arbeiten, dann mit dem am besten noch verheirateten Partner das Kind kriegen und bitte zusammenbleiben bis zum Schluss – egal ob die Beziehung noch passt oder nicht.
Ja und in dieses idealtypische Akademikerinnenleben bin ich mit der Schwangerschaft ja ziemlich reingecrasht, wenn auch nicht extra. Das ist, glaube ich, das krasseste Beispiel. Aber rückblickend habe ich dadurch auch so, so viel gelernt. Z.B. dass das Leben eben nicht planbar ist und dass es dann trotzdem immer noch Wege und Mittel gibt, dass man damit zufrieden ist. Den perfekten Zeitpunkt schwanger zu werden gibt es sowieso nicht, das hat meine Mama mir schon ganz früh eingetrichtert – selbst ist die Frau 🙂
CWH: Dir hat dann natürlich diese Einstellung deiner Mutter den Weg erleichtert. Vielleicht jetzt noch für die Schülerinnen und Schüler am CFG bezogen auf Berufswahl, was ist wichtig, wenn man an Berufswahl denkt, welche Kriterien gibt es da?
Carolin: Also ich finde, man sollte sich in die Richtung orientieren, für die man sich wirklich interessiert, nicht unbedingt wofür man dann die Begabung hat. Oft stimmt das ja auch überein, manchmal aber auch vielleicht nicht. Ich glaube einfach, wir arbeiten so lange Zeit unseres Lebens und die Arbeit nimmt in unserer Leistungsgesellschaft einen so großen Teil ein, … da sollte man wirklich was machen, worauf man richtig Lust hat und wofür man irgendwie in irgendeiner Form brennt. Außerdem ist es wichtig, durch Türen zu gehen, die sich einem öffnen und Dinge auszuprobieren. Denn erst wenn man „reingeschnuppert“ hat, kann man wissen, ob´s wirklich was für einen ist oder eben nicht. Sich Ausprobieren ist wichtig!
Extro – mein Tipp
CWH: Hast du einen Tipp für die Schüler:innen am CFG?
Carolin: Mein Tipp wäre, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, und durch Türen zu gehen, die sich einem öffnen. Astrid Lindgren hat mal gesagt: „Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen“. Und ich finde, da ist viel Wahres dran.
CWH: Dann dank ich dir, Carolin Brüggemann, ganz herzlich für deine Zeit und für deine unglaublich offenen Antworten.
Kontakt
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