Das CFG ist überall – Jana Nora Günther und Lukas Varnhorst (Abijahrgang 2008)

Interview von C. Wissemann-Hartmann

Jana Nora Günther und Lukas Varnhorst führten mit mir ein Zoomgespräch.

In der Westdeutschen Zeitung erschien am 18.01.2022 ein Artikel „Physiker erzielen Durchbruch des Jahres“. Und siehe: auf dem Foto zwei Ehemalige des CFG: Jana und Lukas.

Das wollte ich wissen. In einem einstündigen Gespräch erzählten Lukas und Jana, was das für ein Durchbruch ist, aber auch wie ihr Weg dorthin war, und was sie aus ihrer Schulzeit erinnern.

Zunächst zur Sache, dann zum Interview.

Die Sache

Beim „Breakthrough oft he Year“ geht es um eine Liste von zehn bahnbrechenden Forschungsergebnissen, die in genau diesem Jahr die Physik maßgeblich voranbringen. Bei einem der Ergebnisse 2021 geht es um Elementarteilchen. Das ist schon ein Bereich der Physik, bei dem man genau hingucken muss, denn Elementarteilchen sind klein, sehr klein.

Seit Anfang der Zwei-Tausender gab es einen Befund, der besagte, dass sich das Myon, ein Elementarteilchen mit einfach negativer Ladung, aber viel schwerer als das Elektron, bei Messungen merkwürdig verhält – unerwartet. Man konnte sein beobachtetes Magnetfeld durch Rechnungen nicht mit den theoretisch erwarteten in Einklang bringen. Man spekulierte dann, dass die physikalischen Modelle, mit denen wir unsere Welt zu erklären versuchen, vielleicht noch nicht differenziert genug sind. Genauer: dass die vier Kräfte, die die Welt zusammenhalten, vielleicht durch eine fünfte ergänzt werden müssen oder wir mehr Elementarteilchen brauchen, um das Verhalten des Myons zu beschreiben. Das wäre eine Sensation. Man kennt Gravitation, die den Apfel zum Boden fallen lässt, elektromagnetische Wechselwirkung, die den Elektromotor antreibt oder die Polarlichter erzeugt, starke Wechselwirkung, die die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält, und die vierte Kraft, die schwache Wechselwirkung, die zwischen Elementarteilchen mit schwacher Ladung besteht, zum Beispiel bei radioaktiven Prozessen.

Wenn das alles nicht reicht, um das Verhalten des Myons zu beschreiben, muss es etwas Neues geben, die 5. Kraft? Mehr Elementarteilchen? Etwas ganz anderes? Die Wissenschaft rätselte – seit 20 Jahren.

Eine Arbeitsgruppe der Bergischen Universität Wuppertal beschäftigte sich, wie viele andere auch, unter der Leitung von Prof. Fodor mit diesem Problem. In dieser Arbeitsgruppe forschen Jana und Lukas. Und hier gelang eine Nachricht, die es bis in die höchsten wissenschaftlichen Fachzeitschriften Nature und Science schaffte: Theoretische Modellierungen und Berechnungen mit Hilfe von Großrechnern z.B. in Jülich, den die Wuppertaler Forscher:innen nutzen, ergaben, dass das unerwartete Verhalten des Myons gar nicht so unwahrscheinlich ist. Der sogenannte g-2 Faktor, der den Spin des Myons ins Verhältnis setzt zur Größe seines Magnetfeldes, weicht wahrscheinlich gar nicht so stark ab, wie die früheren Berechnungen ergaben. Alles eine Frage der Genauigkeit der Modelle. Nun scheint der „Fehler“, der Unterschied zwischen Berechnung und Messung, um vieles kleiner als bei den bisherigen Modellierungen. Das bedeutet aber, wenn sich das weiter bestätigt durch wieder neue Forschungen, dass wir nun doch auskommen können mit den vier Kräften in der Physik.

Ein Glück? Vielleicht, dann muss das Gebäude der Physik nicht umgebaut und renoviert werden.

Schade? Viele Forscher hätten gerne hier neue Vermutungen und Ideen ausprobiert und ein neues Forschungsgebiet eröffnet.

Den Nobelpreis wird es nicht geben dafür, dass man zeigt, dass alles beim Alten bleibt, aber ein „Breakthrough oft the Year“ ist dieses Ergebnis gemeinsam mit einem neuen Experiment laut Science eben doch. Und im Auge des Sturms: die Ehemaligen des CFG Jana und Lukas.

Weiteres dazu wird man im Jahrbuch lesen können, da schreiben die beiden selbst über die Physik und das Ergebnis.

Quelle: B.C. Toth et. al. (for the BMW collaboration), „Muon g-2: BMW calculation of the hadronic vacuum polarization contribution,“ PoS(LATTICE2021)005

S. Borsanyi, Z. Fodor, J. N. Guenther, C. Hoelbling, S. D. Katz, L. Lellouch, T. Lippert, K. Miura, L. Parato and K. K. Szabo, F. Stokes, B. C. Toth, Cs. Torok und L.Varnhorst,
„Leading hadronic contribution to the muon magnetic moment from lattice QCD,“ Nature 593 (2021) no.7857, 51-55, doi:10.1038/s41586-021-03418-1, [arXiv:2002.12347 [hep-lat]].

Das neue BMW lattice QCD Model weicht von den Messergebnissen nur noch ein wenig ab, viel weniger, als das alte White Paper Model.

Die Originalarbeit findet sich unter:

Leading hadronic contribution to the muon magnetic moment from lattice QCD | Nature

Jana Nora Günther und Lukas Varnhorst

Nun kommen wir zu ihnen, die an diesem Erfolg teilhaben. Wer sind sie und was haben sie zu sagen?

Allgemeines

Beide haben im Jahr 2008 Abitur am CFG gemacht und danach an der Bergischen Universität Wuppertal Physik studiert. Nach dem Abschluss des Masters of Science im Jahr 2013 promovierte Jana im Jahr 2017 mit der Arbeit „Lattice investigations of the QCD phase diagram“ und Lukas im Jahr 2020 über „Aspects of  quark mass dependence in Lattice QCD“  in theoretischer Physik. Beide verbrachten ein Jahr in Marseille als PostDoc-Forscher. Jana wurde im Jahr 2021 Junior Professorin, Lukas arbeitet ebenso als PostDoc an der BUW.

Das Interview

C. Wissemann-Hartmann (cwh): Wie fühlt man sich, wenn man hört, die eigene Arbeit ist ein „Breakthrough of the Year“? Seid ihr jetzt „berühmt“?

Lukas: „Berühmt – eher bekannt, würd ich sagen. Man findet durch die Arbeit Beachtung, das braucht man, um weiterzukommen.

Jana: Das ist ein tolles Gefühl, es gab dann eine Flut an Emails.

cwh: Und gab es Sekt?

Jana: Es war Corona, wir haben nicht als Team gefeiert, aber wir beide haben schon mal angestoßen.

cwh: Was ist Euch im Rückblick wichtig, wenn Ihr ans CFG denkt?

Jana: Es war toll, in der Oberstufe viele Leute zu treffen. Durch die Wahl der LK´s hatte man dann viele, die Mathematik und Physik auch mochten, das war in der Klasse vorher besonders auf Physik bezogen nicht so sehr der Fall. Diese Peer-Group hat dann auch meine Entscheidung für das Studium beeinflusst.

Lukas: Ich habe ja ein Jugend forscht-Projekt gemacht in der Astronomie. Das hat mich sehr geprägt. Die Astronomie hat viel Zeit beansprucht und hat mich sehr fasziniert.

cwh: Was außer Schule war Euch damals wichtig? Was habt ihr gerne gemacht?

Jana: Ich hab nebenher viel in der Gemeinde gemacht und hatte auch mal überlegt, Theologie zu studieren. Und ich mag Sport, ich bin viel Einrad gefahren, auch im Verein.

Lukas: Zu der Zeit hab ich viel investiert in das Astronomie-Projekt. Wir haben auch gemeinsam Schülervorlesungen an der Uni gehört, z.B. über „Fourier-Transformation“ am Beispiel der Gitarre, tolle Mathematik.

cwh: Ah ja, Du hast mit Thorben den Planetariumsprojektor gebaut und da auch eine Auszeichnung bei Jugend forscht bekommen. Der ist ja immer noch Herzstück des Planetariums. Chapeau!

cwh: Wenn Du mal überlegst: Welche Werte sind Dir wichtig, einmal privat, aber auch dann für den Beruf?

Jana: Zuverlässigkeit finde ich sehr wichtig, auch die Höflichkeit. Ich war eine halbes Jahr in Japan an der Uni im Rahmen des Studiums, da sieht man es besonders stark.

Lukas: Ehrlichkeit und Offenheit. Für den Beruf braucht man dann auch die Begeisterung und das Dranbleiben. Das habe ich schon bei meinem Projekt lernen können.

Jana: Ja, und Neugier, was interessiert mich wirklich, und auch wissenschaftliche Ehrlichkeit.

cwh: Was würdet Ihr den Schüler:innen des CFG raten, was man lernen sollte?

Jana: Ich habe sehr vom Drehtürmodell profitiert. Mein erstes in der 5. Klasse ging schief. Daraus habe ich gelernt, wie man Angebote und eigene Themen sucht und findet, auch wie man zusammenarbeitet. Das war unheimlich wichtig.

Lukas: Es ist wichtig, Gleichgesinnte zu finden. Wenn es schwierig wird, sollte man durchhalten können. In der Wissenschaft wechselt sich das ab, man muss gut alleine arbeiten können am Schreibtisch, man muss aber auch viel in Teams arbeiten können. Da muss man eine Balance finden.

Als Wissenschaftler muss man gut vortragen können, unaufgeregt, aber auch bestimmt und klar. Auf allen Konferenzen muss man das und da sollte man sichtbar werden, einen eigenen Charakter zeigen, sich abheben, in Erinnerung bleiben.

cwh: Ja, am CFG gibt es jetzt schon seit vielen Jahren, das wisst Ihr wahrscheinlich gar nicht, das Projekt Jugend präsentiert. Da lernen die Schüler:innen alle systematisch, worauf es bei einer guten Präsentation ankommt. Wie man die Aufmerksamkeit bekommt, wie man den Spannungsbogen hält, was man mit den Armen macht… Das hat einen wichtigen Platz an der Schule bekommen.

cwh: Wo fandet Ihr es schonmal wichtig, nicht den Erwartungen von außen zu entsprechen?

Jana: Als Frau in der Physik entspricht man nicht den Erwartungen, da fällt man auf. Das kann ein Vorteil sein.

Lukas: Da muss man als Mann den eigenen Stil entwickeln und sich anstrengen, um die gleiche Aufmerksamkeit zu bekommen.

cwh: Für die Berufswahl, welchen Tipp würdet Ihr geben?

Jana: Ich hätte ja wie gesagt auch gern Theologie studiert, weil mich das interessierte, aber dann hab ich mir auch überlegt, was mache ich dann damit, wie sieht der Beruf aus. Von der Frage aus bin ich dann zur Physik gekommen und habe es nicht bereut.

Lukas: Ich fand im Studium befreiend, dass ich jetzt das machen konnte, was meinen Interessen voll entsprach. Das muss man im Beruf machen. Das, was einen begeistert.

cwh: Habt Ihr noch einen Spruch für die Schüler:innen?

Jana: And boldly go where no one has gone before (Jean-Luc Picard) 

Lukas: Live long and prosper (Spock)

cwh: Jana, Lukas, vielen Dank für Eure Zeit und Eure Auskünfte. Und Euch viel Erfolg weiterhin und Freude bei dem, was Ihr tut.

Wer fragen möchte, wie es ist, zu studieren, oder wie es ist, als Frau Physik zu studieren, oder…, hier geht’s zum Kontakt. Nur zu!

 jguenther@uni-wuppertal.de

varnhorst@uni-wuppertal.de